Veröffentlichungen

STOFFWECHSEL

Galerie r2 in Salzburg Eröffnung: 8.11.2024

Unter dem Titel ´Stoffwechsel´ zeigen die beiden Künstler Peter Grosz und Andreas Steindl jeweils neueste malerische Arbeiten. Der Titel bezieht sich einerseits auf Fragen der Materialität von Kunst, die in beiden Werken entscheidend verhandelt werden, andererseits auf den Wechsel, die Transfor- mation, das Durchlässige im prozessualen Gestalten beider Künstler.
Diese Themen sind- obwohl hier aktuell und neu gestellt- nicht unbekannt in der Kunstgeschichte: bis zum 19. Jahrhundert war die Technik der Malerei fast ausschließlich eine präzise ´Feinmalerei´, die sich in lasurhaftem Farbauftrag auf grundierter Holz- oder Leinwandfläche manifestierte. Erst das 19. Jahrhundert erfand die ´Peinture´, in der sich der Malvorgang und das Malmaterial ablesen ließen: Impressionismus und Postimpressionismus führten dem Betrachter Punkte und Striche, Leerstellen und Pinselduktus vor, öffneten also die bis dahin hermetisch geschlossene gefirniste Oberfläche. Und mit der Kunst um 1900 wurden malereifremde Materialien in die Bild- fläche mitübernommen, etwa Goldauflagen und Metallplättchen wie bei Franz von Stuck oder Gustav Klimt.
Immer ging und geht es dabei um einen konstruktiven Bildaufbau, um das Darüber und das Drunter, welches sich im Untergrund abzeichnete oder an der Oberfläche sichtbar wurde. Diese Art von ´Stratigraphie´ lässt sich auch in den Werken von Grosz und Steindl ausmachen. Beiden ist gemeinsam, dass sie in ihren Gestaltungen von einer An- und Anleitung der gesehenen Wirklichkeit ausgehen, gepaart mit einer Offenheit und Authentizität im Prozessualen. In der jeweiligen Transformationsmodalität von Realität ins Fiktionale liegt die individuelle Handschrift des Einzelnen.
Mit der ´Textur´ der Ausstellung, also der Anordnung der Werke in einem permanenten Dialog beider Positionen, in einem Geflecht von Bezügen und Entsprechungen liegt das Spezifische dieser Präsentation, die nicht jedem Künstler einen eigenen Raum zuweist, sondern in den Galerieräumen Rede- und Widerrede der beiden Bildsprachen zulässt, welche sich bei Peter Grosz als eine zuvorderst der Struktur verschriebene Bildrhetorik ausweist, bei Andreas Steindl eher als eine der Fabulation zuneigende Narration.
Sind es einerseits, bei Grosz, Risse in der Oberfläche, Linien, Bildreste, Netzwerke, alte Stadtpläne und deren abgelöste Relikte, eine Dialektik von Fläche und Linie, von Hell und Dunkel, von großer Form und Miniatur, so sind es bei Steindl Welten von wesenden Organismen, Zellen, Fortsätze, Verschlungenem und Fliegendem.
Beide eint eine Erzählkunst mit einer poetischen Fabulierlust. Und immer ist die Dualität von Form und Grund spürbar, eine subtiler und subkutaner Bildaufbau, der eine bewusste ´Stratigraphie´ ablesen lässt.
Stratigraphie ist ein Begriff, den sich die Archäologie aus der Geologie ausgeborgt hat und im Falle von Ausgrabungen die Anordnung in historisch entstandenen Schichtungen meint: Schichten schreiben Geschichte!
Mit dem Ausstellungsbesuch nähern wir uns also auch einem stratigraphisch gebauten Bildganzen, einen Raum, der sich sehr für Imagination und eigenes Fabulieren eignet.



Dr. Margit Zuckriegl